Warum uns die Zeitumstellung müde macht - Artikel bei der OZ
Und täglich grüßt die Müdigkeit
Gesundheit: Ärztin Lara Schneider erklärt, warum wir im Frühjahr so müde sind und was wir dagegen tun können.
Frühjahrsmüdigkeit – ist das nun bloß ein Mythos oder doch etwas, das wir ernst nehmen sollten? Im Moment jedenfalls lässt sich gut beobachten, wie allerorten kräftig gegähnt wird. Draußen blüht die Natur, aber wir können uns nicht vom Sofa lösen, als wäre es noch tiefster Winter. Und dann kommt jetzt auch noch die Zeitumstellung dazu. Wie können wir unseren Energiehaushalt in dieser Übergangszeit aufrüsten, damit der Frühling Spaß macht?
Die Ärztin Lara Schneider aus Olfen kann das Phänomen nicht nur medizinisch einordnen, sondern sie weiß auch, wie wir uns gerade jetzt gesund ernähren können.
Liebe Frau Schneider, was ist denn Frühjahrsmüdigkeit?
Lara Schneider: In der Schulmedizin gibt es den Begriff Frühjahrsmüdigkeit nicht, aber den Begriff der Winterdepression. Und ich glaube, da liegt auch der Schlüssel für die Erschöpfung, die viele nach dem Winter verspüren. Bevor es künstliches Licht gab, haben wir unsere tägliche Arbeit, solange es Tageslicht gab, gemacht. Das heißt, im Winter war wenig Arbeit und viel Ruhen. Heutzutage haben wir ständig künstliches Licht und wollen im Winter genauso produktiv sein wie im Sommer. Da fehlt die Erholung, die früher durch die Jahreszeiten von außen sozusagen aufgezwungen wurde. Und somit kommen wir ohne ausreichende Erholung aus dem Winter und sind im Frühjahr schon erschöpft.
Die Pflanzen, die im Frühjahr sprießen, hatten ja auch ihren Winterschlaf und kommen mit voller Energie zurück ins Leben.
Das heißt, dass wir im Winter schon vorsorgen müssen?
Schneider: Ja, genau! Um Frühjahrsmüdigkeit zu vermeiden, im Winter schon versuchen, sich dem langsamen Rhythmus der Natur anzupassen.
Nun, der Frühling ist aber schon da. Können wir jetzt nichts mehr machen?
Schneider: Doch, natürlich. Wer das verpasst hat, kann das nachholen – entweder durch kleine Auszeiten und auf jeden Fall durch ausreichend Schlaf. Gleichzeitig kann die Sonne mit ihrem Licht und dem Ankurbeln der Vitamin-D-Produktion helfen, die Frühjahrsmüdigkeit schnell zu überwinden.
Der Temperaturwechsel in den ersten Märztagen, den wir erlebt haben, war dramatisch. Manche Menschen reagieren auf derartige Wetterumschwünge mit Kopfschmerzen, aber auch mit Müdigkeit. Was geschieht da in und mit unserem Körper?
Schneider: Es gibt leider keine stichhaltigen Studien, die einen Zusammenhang zwischen Wetterwechsel und Kopfschmerzen herstellen konnten. Wir können auf keine Forschungsergebnisse zurückgreifen, um genau zu wissen, was im Körper geschieht.
Es ist aber da.
Schneider: Ja, das spüren wir alle. Auch wenn es ein Phänomen ist, nehme ich meine Patienten sehr ernst, die darunter leiden. Da wir aber wenig Einfluss auf das Wetter haben, ist es am wichtigsten, sich damit auseinanderzusetzen, warum wir überhaupt häufiger Kopfschmerzen bekommen, und was ich für mich tun kann.
Was sind denn aus Ihrer Sicht die Ursachen?
Schneider: Das sind beispielsweise Verspannungen, Stress, emotionale Belastungen, Hormonschwankungen. Wenn wir versuchen, die zu beheben, macht uns auch der Wetterwechsel nicht mehr viel aus.
Was wären denn die Möglichkeiten, es zu beheben?
Schneider: Sport kann in jedem Fall unterstützend wirken. Je nach individueller Situation kommen auch autogenes Training oder Akupunktur infrage – damit habe ich ebenfalls gute Erfahrungen gemacht.
Nach den dunklen Wintermonaten sind wir nicht nur mit Sonne unterversorgt, sondern auch mit Nährstoffen. Welche Vitamine und Mineralstoffe sind sinnvoll, damit unser innerer Rhythmus wieder ins Gleichgewicht kommt?
Schneider: Genau, die Sonne ist ein großes Schlüsselwort, da diese den Körper anregt, Vitamin D3 zu produzieren.
Das Vitamin ist ja schon seit längerem in aller Munde.
Schneider: Da haben Sie recht. Das liegt daran, dass das Vitamin zahlreiche Einflüsse im Körper hat, sei es auf das Immunsystem oder die Stimmung. Da Vitamin D3 nur mit Sonne auf der Haut gebildet wird, kann es sinnvoll sein, bis zum Sommer das Vitamin als Kapsel einzunehmen.
Welche Dosierung empfehlen Sie?
Schneider: Täglich eine Kapsel Vit D3 mit 2000 Internationalen Einheiten (IE). Zusätzlich kann ein Mangel von Eisen, Vitamin B12 und Vitamin B6 die Funktion der Blutzellen und des Immunsystems beeinträchtigen. Somit ist es hilfreich, sich bei seinem Arzt oder seiner Ärztin zu erkundigen, ob eine Substitution von Vitamin D3, Eisen, Vitamin B12 und Vitamin B6 für den Einzelnen sinnvoll wäre.
Und wie können wir unseren Kreislauf noch ankurbeln, damit wir nicht mehr so müde und schlapp sind?
Schneider (lächelt): Bewegung, Bewegung, Bewegung. Außerdem kalte Bäder, vor allem auch Fußbäder, Zitronen-Pulswickel, Atemübungen, genug Schlaf und Pausen. Auch Grüntee hilft oder Sprudel. Was man aber vermeiden sollte, sind Snacks zwischen den Mahlzeiten und Zucker.
Was sagen Sie zur Zeitumstellung, die uns noch zusätzlich eine Stunde am Tag raubt?
Schneider: Den meisten Menschen tut ein Rhythmus mit mehr oder weniger Ausnahmen gut, und die Zeitumstellung bringt diesen Rhythmus jedes Mal durcheinander.
Und wen trifft das besonders?
Schneider: Das kann man gerade an kleinen Kindern beobachten, die durch die Zeitverschiebung meist ein bis zwei Wochen nachhinken und schlecht gelaunt sind. Wir Erwachsene können dies durch Lebenserfahrung kompensieren, aber trotzdem belastet es unsere innere Uhr und führt zu vermehrtem Stress. Und das wiederum kann man durch kleine Auszeiten und Geduld mit sich gut kompensieren.
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